Brücken bauen
- von Dorf zu Dorf
- von Schule zu
Schule -
Seit
1994 besteht eine Freundschaft zwischen der Gemeinde Herrsching und der
indischen Gemeinde Chatra.
Chatra
liegt 55 km nordöstlich von Kolkata, der
Hauptstadt Westbengalens. Es hat ca. 23.000 Einwohner und umfasst sieben
eingemeindete Dörfer. Die Menschen leben überwiegend von Landwirtschaft
(Reis, Jute, Senf, Ziegen, Geflügelhaltung, Fischzucht) und Kleingewerbe
oder pendeln von der 5 km entfernten Bahnstation nach Kolkata zur
Arbeit. Der Ort liegt im sehr fruchtbaren Gangestiefland. Problem sind
häufige Überschwemmungen in der Monsunzeit, die vor allem die Lehmhäuser
und Bambushütten der ärmeren Bevölkerung gefährden. Es gibt in Chatra
einige Vorschuleinrichtungen, 12 Grundschulen, je eine höhere Schule für
Knaben und für Mädchen, denen jeweils ein Hostel für die auswärtigen
Schüler angeschlossen ist; der Einzugsbereich umfasst auch die 12
umgebenden Gemeinden.
„Wenn
wir die Schüler in den Mittelpunkt unserer Freundschaft stellen, wird
sie länger Bestand haben. Unsere Schüler sind die Bürger von morgen“,
sagte Krishnangshu Misra, der Schulleiter der Knabenoberschule von
Chatra, bei seinem ersten Besuch 1996.
Zwölf Jahre währt nun die Verbindung zwischen der
Volksschule Herrsching und
der Dakshin Chatra High School.
Viele Briefe und Freundschaftszeichen sind zwischen den Schülerinnen und
Schülern hin und her gesandt worden, Besuche und Gegenbesuche von
Lehrkräften haben stattgefunden, mehrere Flohmärkte sind zu Gunsten der
Partnerschule veranstaltet worden. Ein besonderes Solidaritätsprojekt
war die Unterstützung für den Wiederaufbau von zwölf Klassenzimmern;
dieser ‚indisch-deutsche-Freundschafts-Bau’ wurde 2005 eingeweiht.
Eine
Woche Herbstferien verbrachten wir in Herrschings Partnerort Chatra im
ländlichen Westbengalen sowie eine zusätzliche Woche in der zweitgrößten
Metropole Indiens, in Kolkata. Wir, das waren 8 Schülerinnen und Schüler
des Gilchinger und Germeringer Gymnasiums, 3 Lehrkräfte und 2 Väter zur
Begleitung, ich (Frau Stumbaum) als Vertreterin unserer Volksschule und
Sabine Dlugosch von der Indienhilfe (IH) als Reiseleiterin.
Nach
11 Stunden Flug wurden wir am Morgen vom VK-Team mit einem Bus abgeholt
und ins Projektzentrum in Athgora, 40 km nördlich von Kolkata, gebracht.
VK(Vicas Kendra) bedeutet Dorfentwicklungszentrum und ist die
langjährige Partnerorganisation der IH Herrsching.
In
Ananda Kendra, einem Haus für Frauen und Waisenkinder, konnten sich die
Gäste aus Deutschland langsam an indisches Leben und Essen gewöhnen. Die
Projektmitarbeiter betreuten uns rund um die Uhr. Wir wurden gleich
gewarnt, lange Kleidung zu tragen und geschlossene Schuhe und Socken
anzuziehen, trotz Hitze, denn in der Gegend grassierte ein Virusfieber,
das durch Mücken übertragen wird. Leider erwischte es auch zwei aus
unsrer Gruppe, die mit Gelenkschmerzen, Ausschlag und Fieber eine Woche
das Bett hüten mussten.
Der
Zeitpunkt der Reise war in Bezug auf die Schulpartnerschaft ungünstig,
weil er mitten zwischen den Pujafeierlichkeiten lag, d.h. dass Schüler
und Lehrer teilweise schulfrei hatten. Mitte Oktober wird die Göttin
Durga mehrere Tage lang gefeiert und Anfang November die in Bengalen
besonders beliebte Göttin Kali (nach ihr ist Kalkutta benannt). Deshalb
kam auch nur eine kleine Gruppe von Lehrern und ausgewählten Schülern,
um uns in einer kleinen Feier zu begrüßen. Wir überreichten
Buchgeschenke und Schülerbriefe und erhielten als Gegengeschenk hübsche
Taschen, die wir für die unzähligen Papiere, die wir bei unseren
Projektbesuchen erhielten, gut gebrauchen konnten.
Zunächst konnten wir also nur ein leeres Schulgebäude besichtigen, aber
wir erkannten schnell, dass der Unterricht hier anders abläuft als bei
uns. Die Schüler sitzen in langen Tisch- und Bankreihen zur Tafel
ausgerichtet; Anschauungs- und Demonstrationsmaterial ist kaum
vorhanden. In den unteren Klassen der Oberschule lernen bis zu 100
Schüler in einem Raum! Als wir später einen Unterrichtstag miterlebten,
las die Erdkundelehrerin z.B. die ganze Stunde aus dem Geographiebuch
vor, wobei sie zwischendurch ab und zu Fragen stellte; mehrere Schüler
teilten sich ein Schülerbuch. Im Englischunterricht wurde ein Text
durchgearbeitet und von der Tafel abgeschrieben. In Mathematik ging es
um lebensnahe Textaufgaben, die die Schüler mit Eifer bearbeiteten.
Der
nächste Schultag fiel sage und schreibe ins Wasser. Obwohl die Regenzeit
eigentlich zu Ende sein sollte, goss es aus Kübeln. Über die Hälfte der
Schüler kamen nicht zur Schule.
„Sie
besitzen weder Regenkleidung noch einen Regenschirm“, erklärte der
Schulleiter und legte kurzerhand die Parallelklassen zusammen, damit
überhaupt Unterricht stattfinden konnte. An den beiden folgenden Tagen
trafen wir uns mit einigen Schülerinnen und Schülern der Jungen- sowie
der Mädchenoberschule zu einem Theaterworkshop. Die Kommunikation
verlief auf Englisch, aber hauptsächlich auch nonverbal, ebenso wie die
Spiele und Körperübungen, die schließlich in eine pantomimische
Darstellung des Themas ‚Kinderarbeit’ mündeten. Diese Aufführung zeigten
wir am letzten Abend in Chatra, als wir uns von den Gastfamilien
verabschiedeten. 5 Tage hatten wir jeweils zu zweit bei Familien
gewohnt, die einem Partnerschaftsfreundes-kreis angehören. Sie stellten
uns ihre Schlafzimmer zur Verfügung und verwöhnten uns mit köstlichem
indischen Essen. Der Abschied war sehr herzlich.
Auf
der langwierigen Fahrt mit dem Bus zurück nach Kolkata konnten wir das
bunte Leben in den Geschäftsstraßen der Orte, die wir passierten, gut
beobachten und mussten immer wieder staunen über das Chaos aus Lastern,
Autos, Fahrradrikschas, Menschen und Tieren auf den indischen Straßen.
In der Stadt angekommen, verdichtete sich der Verkehr noch weiter und
die Fahrzeuge schoben sich auf den Hauptstraßen mehr, als dass sie
fuhren.
In
Kolkata wohnten wir in einem einfachen Hotel. An zwei Tagen besichtigten
wir Hilfsprojekte der IH in Slumvierteln: eine Kinderkrippe zur
Unterstützung arbeitender Mütter, eine Schülerbetreuung für
Straßenkinder und eine weiterführende Schule für ‚drop outs’, das sind
Jugendliche, die nach 4 oder 5 Jahren die staatliche Schule verlassen
haben, teilweise arbeiten oder ihre Geschwister beaufsichtigen müssen,
und durch diese Projektschule eine Chance für Bildung und eine
hoffnungsvollere Zukunft erhalten.
Zwei weitere Tage waren für Stadtbesichtigungen
vorgesehen. Einmal sollten wir mit der Geschichte der Stadt bekannt
werden; wir bewunderten europäische Kunstschätze im ‚Marble’s Palace’,
dem Palast eines reichen indischen Kaufmanns der Kolonialzeit, und das
Wohn- und Geburtshaus Tagores, des hochverehrten indischen Dichters und
Nobelpreisträgers. Zum zweiten wollten wir uns ein Bild der
verschiedenen Religionen machen. Wir besuchten eine Moschee, eine
buddhistische Kultstätte, einen Jain-Tempel (der Jainismus ist ein
Sonderform des Buddhismus), wohnten einem Gottesdienst der Sikhs bei und
besichtigten eine der vier großen Tempelanlagen der hinduistischen
Göttin Kali. Zum Schluss durfte natürlich ein Einkaufsbummel im Bazar
nicht fehlen; wir wollten doch Geschenke und Souvenirs mit nach Hause
bringen.
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